Q&A mit Übersetzer Sascha Mandler



Q&A mit Übersetzer Sascha Mandler

Q: Hi, Sascha! Schön, dass du dich zu diesem Q&A bereit erklärt hast. Fangen wir erst einmal mit einer persönlichen Frage an: Warum hast du dich dafür entschieden, Manga zu übersetzen?

A: Ich wollte nach meinem Studium tatsächlich Übersetzer werden, aber ich hätte nicht gedacht, dass ich mal Manga übersetzen würde. Klar, ich mochte Manga sehr gern und hab sie jahrelang im Original gelesen – aber irgendwie kam für mich diese Option gar nicht infrage, weil ich dachte, dass Verlage nur mit festangestellten super-erfahrenen Übersetzern zusammenarbeiten würden und ich als Neueinsteiger gar keine Chance hätte. Eine Freundin, die für einen Verlag arbeitet, hat mich 2018 eines Besseren belehrt und so erfuhr ich, dass man als Freelancer Manga-Übersetzer werden kann. Und so kam es zu meinem ersten Auftrag.

 

Q: Wie wird man eigentlich Manga-Übersetzer*in? Sollte man dafür studiert oder eine spezielle Ausbildung gemacht haben?

A: Ich habe eher den Eindruck, dass in der Branche an erster Stelle Können zählt und danach Erfahrung, und nicht, welchen Abschluss man in der Tasche hat. Bei manchen Verlagen muss man sowieso eine Probearbeit abliefern, wenn man noch nie einen Manga übersetzt hat. In der Regel muss man ein paar Seiten eines unübersetzten Mangas in Deutsche übertragen. Und diese Manga sind nicht auf Fanübersetzungsseiten zu finden, man soll ja natürlich nicht schummeln.

 

Q: Übersetzt du noch weitere Sprachen außer Japanisch?

A: Momentan nur Japanisch.

 

Q: Wie gut sollte man Japanisch generell beherrschen, um einen Manga zu übersetzen?

A: Prinzipiell sollte man Manga nicht unterschätzen. Ich bin immer wieder erstaunt, welche Wörter mir unterkommen. Manche Manga können sprachlich komplexer ausfallen oder enthalten Vokabular, das nicht gerade alltäglich ist. In „My Home Hero“ tauchen zum Beispiel Wörter aus dem Polizeiwesen und japanischen Rechtssystem auf, die ich auch mal nachschlagen muss. „Dai Dark“ hingegen ist sprachlich simpler gehalten, aber hier muss ich überlegen, wie ich den Ton der verschiedenen Figuren treffe oder humoristische Elemente übertrage. Ich würde schätzen, dass man die Stufe N2 des Japanese Language Proficiency Test benötigt, um Manga ohne größere Probleme zu übersetzen. Aber Übersetzen ist auch „Gefühlssache“ und das Medium Manga muss dem/der Übersetzer*in liegen.

 

Q: Werden Manga ausschließlich aus dem Japanischen übersetzt oder auch aus dem Englischen?

A: Man sollte immer aus der Originalsprache übersetzen. Ich kenne keinen Verlag, der das anders handhabt.

 

Q: Wie lange dauert es in etwa, bis ein Kapitel und ein Band übersetzt sind?

A: Das kommt ganz auf den Umfang an. Für einen 300-Seiten-Wälzer wie „Fist of The North Star“ benötige ich mehr Zeit als für „My Home Hero“, der gut hundert Seiten weniger hat. Ich kann hier nur für mich sprechen, andere Kolleg*innen brauchen vielleicht mehr oder weniger Zeit. Ich benötige für einen Band in der Regel 4 bis 6 Tage, inklusive Korrekturen. Manchmal muss ich sogar etwas recherchieren und das kann auch etwas dauern.

 

Q: Welchen Manga hast du bisher am liebsten übersetzt und warum?

A: „Hi Score Girl“. Dieser Manga hat mich in verschiedener Hinsicht sehr geprägt. Er sprach mich thematisch an, denn japanische Retro-Games der 80er und 90er sind eine Leidenschaft von mir. Und der Manga hat mich damals dazu bewogen, mir eine originale japanische PC Engine zuzulegen – mittlerweile besitze ich viele Games dafür, die teilweise auch recht rar sind. Zum anderen finde ich den Zeichenstil einzigartig und ich finde, durch diesen Manga habe ich meinen eigenen Übersetzungsstil gefunden. An zweiter Stelle folgt „Dorohedoro“. Ich habe Caiman und seine Freunde gut zwei Jahre lang begleitet und in mein Herz geschlossen. Ich war sehr traurig, als der Manga endete. Aktuell übersetze ich „My Home Hero“ am liebsten, denn die Story ist unfassbar spannend. Einer der besten Manga, die ich je gelesen habe!

 

Q: Gibt es einen japanischen Manga, den du unbedingt auf dem deutschen Markt sehen und auch gleich selbst übersetzen möchtest?

A: Ich finde, dass man mehr Horrormanga aus den späten 70ern und den 80ern veröffentlichen sollte. In diesem Genre gibt es zahlreiche Juwelen, die in Japan schon längst Klassiker sind, aber ich fürchte, dass unsere Leserschaft die Zeichnungen dieser Manga nicht mögen würde. Jiro Tsunoda und Kanako Inuki sind zwei Mangaka, die im westlichen Raum mehr Aufmerksamkeit erhalten sollten. „Ankoku Shinwa“ („Der Mythos der Finsternis“) von Daijiro Morohoshi würde ich besonders gern auf dem deutschen Mangamarkt sehen. Dieser Manga ist ein Mix aus Horror und Abenteuer, in dem die japanische Mythologie eine große Rolle spielt. Die Atmosphäre in „Ankoku Shinwa“ hat es mir vor allem angetan. Außerdem finde ich, dass Go Nagais „Devilman“ nach Deutschland gebracht werden sollte – dass das nicht längst geschehen ist, ist mir wirklich ein Rätsel.

 

Q: Liest du vorab in eine Reihe hinein, wenn du dich dafür entscheidest, sie zu übersetzen, sie aber selbst noch nicht kennst?

A: Ja, ich schaue auf „Bookwalker“ oder ähnlichen Seiten nach, ob ich für eine mir unbekannte Reihe Leseproben auf Japanisch finde.

 

Q: Lässt du deinen eigenen Stil in deine Übersetzungen einfließen oder orientierst du dich ganz strikt am Original?

A: Ich versuche, so nah wie möglich am Original zu bleiben, aber auch meinen eigenen Stil im Auge zu behalten. Ehrlich gesagt finde ich es viel wichtiger, am Ende eine lebendige Übersetzung zu haben, als „technisch einwandfrei“ eins zu eins aus dem Japanischen ins Deutsche zu übertragen – wenn man das nur auf diese Weise tut, klingt der Manga stocksteif.

 

Q: Wie ist deine Herangehensweise an japanische Metaphern und Redewendungen, die sich nicht 1:1 ins Deutsche übertragen lassen?

A: Das ist immer das absolute Horrorszenario für mich! Aber ich schaffe es dann doch immer, einen für den Kontext passenden Umweg zu finden, der inhaltlich trotzdem passt. Ein konkretes Beispiel aus einer meiner Übersetzungen: Eine Figur trägt plötzlich und ohne jeden Grund eine Maske in der Form einer Aubergine. Im japanischen Original sagt diese Figur ein Wortspiel mit „Nasu“ (Aubergine). Ich hätte das übersetzen können, aber dann hätte der Satz absolut keinen Sinn ergeben. Aus dem Wortspiel wurde letztlich: „Na, wie steht mir Aubergine?“ (gemeint ist die Farbe). Das hat in der Situation Sinn ergeben und ich konnte so auch das humoristische Element der Aubergine übertragen.

 

Q: Was war dein bisher anspruchsvollstes Projekt und warum?

A: Meine allererste Übersetzung „Mein heißer Mitbewohner“, dicht gefolgt von „Super Mario – Seine Größten Abenteuer“ aufgrund der vielen Wortspiele. Hier tauchte das Wortspiel mit der Aubergine auf.

 

Q: Wie gehst du damit um, wenn du bei einer Übersetzung mal nicht weiterweißt? Holst du dir in solchen Fällen Hilfe von Kolleg*innen?

A: Ich lasse Stellen, die ich erst mal nicht so recht verstehe, links liegen und bearbeite sie später. Der Geistesblitz kommt in der Regel, wenn ich sie mir ein paar Stunden oder einige Tage später erneut ansehe.

 

Q: Hat man als Übersetzer*in auch ein Mitspracherecht im Hinblick auf Textzensur oder die Verwendung von Gendersprache?

A: Interessante Frage. Ich wurde mit dieser Problematik bisher nie konfrontiert. Ich weiß aber, dass eine Stelle in einem von mir übersetzten Bonuskommentar geändert wurde, nachdem ich nur „die Leser“ geschrieben hatte. Daraus wurde „die Leser*innen“. Ich hatte dagegen keine Einwände, aber ich bin grundsätzlich der Meinung, dass man in der Story eines Mangas Gendersprache vermeiden sollte. Das würde sich nämlich nicht gut lesen und wäre zudem unrealistisch.

 

Q: Wie stehen allgemein die Chancen, in dieser Branche Jobs zu landen?

A: Wenn man sich das Übersetzen zutraut, kann man eine E-Mail an einen Verlag schreiben und sich als Freelancer bewerben. Die Wahrscheinlichkeit als neue/r Übersetzer*in in den Pool aufgenommen zu werden steht nicht schlecht, gerade, weil der Manga-Markt am Boomen ist und viele neue Projekte in die Programme aufgenommen werden. Verlage „probieren“ trotz ihrer Zusammenarbeit mit etablierten, zuverlässigen Übersetzer*innen auch gern mal neue Übersetzer*innen aus, habe ich den Eindruck.

 

Q: Wonach richtet sich das Gehalt? Wird man pro Manga oder pro Seite bezahlt?

A: Das ist unterschiedlich. Manche Verlage zahlen Honorare pro geschriebene deutsche Zeichen im Übersetzungsmanuskript, andere pro Mangaseite des Originals und es gibt Verlage, die für jeden Manga ein festes Honorar zahlen – unabhängig vom Umfang.

 

Q: Benutzen Übersetzer*innen mittlerweile auch AI-Software?

A: Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich denke auch nicht, dass man jemals AI-Software für Manga-Übersetzungen anwenden kann, dafür sind die sprachlichen Feinheiten und Besonderheiten zu stark ausgeprägt. Die Technik ist noch weit davon entfernt, literarische Texte angemessen zu interpretieren.

 

Q: Und zu guter Letzt: Welcher ist dein Lieblingscharakter aus DOROHEDORO?

A: Risu. Seine Verwandlung ist cool, seine Magie sehr interessant und ich mag ihn als Charakter am meisten, weil er eine sehr vielschichtige Persönlichkeit besitzt. Manchmal ist er voller Zorn und kann auch finster wirken, aber er ist gleichzeitig irgendwie total liebenswürdig und wirkt im Großen und Ganzen wie ein guter Kerl.

 

Danke, dass du dir die Zeit für die Fragen unserer Community genommen hast!

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