Interview zum neuen FAR CRY-Comic



Interview mit dem Zeichner Afif Khaled von FAR CRY

29. Juni 2022 | von Alexis Seny
 
 
Afif Khaled tauscht den Controller gegen den Bleistift, um Far Cry im Comicgewand zu präsentieren
 
Glénat und Ubisoft haben vor einigen Jahren beschlossen, einige Videospielklassiker in Comicform zu bringen, um sie vom Bildschirm auf Papier zu übertragen. Nun sind Far Cry und seine Söldner an der Reihe – in einem Lateinamerika, das nie vor Putschen, ungewöhnlichen Allianzen und Überraschungen sicher ist. Und mittendrin? Juan Cortez, ein Experte für komplizierte sowie explosive Situationen und Revolutionen, für den es heißt: „Guerilla ist ein Beruf, der Tod ein Hobby“, auch wenn er etwas Desillusioniertes an sich hat. Mathieu Mariolle, Afif Khaled, Salaheddine Basti und Yassir Kerbal arbeiteten schnell, aber im Geheimen an der Entstehung dieses Bandes, damit er gleichzeitig mit dem sechsten Teil des berühmten Franchises erscheinen und die Vorgeschichte des Games erzählen konnte.

Die deutsche Ausgabe ist nun bei CROSS CULT erschienen, ihr findet sie bei uns im Onlineshop - lest gerne in die Leseprobe FAR CRY: DIE TRÄNEN VON ESPERANZA rein!


Interview mit dem Zeichner Afif Khaled im Rahmen des Comicfestivals in Hanret
Von Alexis Seny

Zusammenfassung: Sucht hat viele Gesichter. Einige Menschen leben nur von extremen Empfindungen, andere können nicht ohne euphorisierende Substanzen auskommen. Juan Cortez hingegen ist süchtig nach Guerillakämpfen. Seit Jahren reist er von einem Konfliktgebiet zum nächsten und stellt seine Erfahrung und Ausbildung in den Dienst des Meistbietenden. Dieses Mal scheint ihn das Schicksal nach Santa Costa geführt zu haben, ein Land in Südamerika, das ihn auf seltsame Weise an seine Heimat Yara erinnert. Denn hier – wie auch auf der Insel von Antón Castillo – hat die jüngste Entdeckung einer seltenen Ressource, eines Erzes namens „Tantal“, die Wirtschaft eines kleinen, zuvor ignorierten Landes auf den Kopf gestellt. Nun stehen sich drei Lager gegenüber: die kürzlich von General Di Stefano an die Macht gebrachte Militärjunta, die bürgerliche Partei, die von der Tochter des ermordeten ehemaligen Führers angeführt wird, und eine revolutionäre Gruppe, die sich für die Rechte der Arbeiter:innen und der indigenen Bevölkerung einsetzt. Letztere – angeführt von ihrem Anführer Max Purillo – haben sich an Juan gewandt. Und er hätte sich keinen besseren Ort aussuchen können: eine aufkeimende Guerilla, eine politisch unruhige Zeit und vor allem … Geld. Viel Geld. Um das Land aufzuwiegeln, wird er gebeten, einen großen Coup zu landen und General Di Stefano zu ermorden. Doch natürlich läuft nichts so, wie es geplant war …
 
Hallo Afif, so treffen wir uns wieder. Sie sind einer der Zeichner des ersten Far-Cry-Comicbandes. Sind Sie selbst auch Gamer?
 
Nein, nicht wirklich. Ich habe zwar für eine Gamedesign-Agentur gearbeitet, aber eher im Kommunikationsbereich. Far Cry habe ich damals aber tatsächlich gespielt. Es war ein ganz schön anspruchsvolles Spiel. Damit hatte mein Rechner ziemlich zu kämpfen.
 
Und achtzehn Jahre später adaptieren Sie das Universum für Comics … Verrückt!
 
Ja, super abgefahren, obwohl es nicht nur eine Adaption ist. Wir haben das Game gemeinsam mit dem Team entwickelt, das an dem neuen, sechsten Teil gearbeitet hat, die im Oktober veröffentlicht wurde. Es gab einen regen Austausch von Ideen – wir haben die Welt mitgestaltet, wir durften sie entdecken, bevor die Gamer:innen sie in Besitz nehmen konnten.
 
Hat die Welt der Videospiele Sie grafisch inspiriert?
 
Ja, genau wie das Kino. Aber man muss wirklich zugeben, dass die Videospiele eine irrsinnige Entwicklung durchgemacht haben. Sie sind zu einer Referenz für Grafikdesigner geworden. Ich liebe das Moderne an den Konzepten, den Illustrationen. Warum sich also nicht daran bedienen? Games an sich sind ein eigener Kunststil. Noch mehr als das Kino. Ich muss dazu sagen, dass ich beides konsumiere. Als Kunstschaffende werden wir alle von verschiedenen Dingen beeinflusst. Ich selbst bin stärker in den Comics verwurzelt. Ich habe mich von den Künstler:innen, die ich in jungen Jahren sehr mochte, entfernt. Obwohl Vermeer für mich immer noch ein Fixpunkt bleibt, wenn es um Licht geht – das lässt sich nicht leugnen.
 
Bei diesem Band sind Sie beim Zeichnen zu zweit ans Werk gegangen. Wer von Ihnen und Salaheddine Basti hat was gemacht?
 
Salaheddine Basti ist zwar noch Student, aber ich habe die Zusammenarbeit mit ihm sehr genossen. Ich habe die Szenen umrissen und die Charaktere eingefügt, während Salaheddine die Zeichnungen gemacht hat und ich dann das Tuschen übernommen habe. Dann habe ich zusammen mit Yassir Kerbal alles koloriert.
 
Und das Ganze mit ziemlich kurzer Deadline, möchte man annehmen.
 
Ja, vor allem bei einem Band von 80 Seiten. Wir mussten unsere Arbeitsweisen umstrukturieren, um den Comic zum Erscheinungstermin des Games fertig zu haben. Ich habe die Linien einfacher gestaltet und mich auf das Wesentliche konzentriert. Aber mir gefällt es, von dem abzuweichen, was ich bereits kann und gezeigt habe.
 
Das Game als Comic umzusetzen, ist doch sicher eine Win-win-Situation für beide Welten, oder? Aus Fanservice-Perspektive?
 
Es ging nicht darum, etwas Brandneues zu schaffen. Indem wir sie das Universum des Games als Comic entdecken lassen, wollten wir Comicleser:innen und Gamer:innen gleichermaßen ansprechen.
In Bezug auf Fanservice war es leicht. Die Atmosphäre entsteht durch den Vibe der Charaktere, und indem man Bezug auf die Protagonisten nimmt, die man schon aus den vorherigen Teilen kennt. Die Basis bildeten die neue Umgebung und die neuen Helden, die die Leser:innen und Gamer:innen noch kennenlernen würden.
 
Und das funktioniert wie erwartet?
 
Anscheinend! Ich bin froh, dass ich bei Signierstunden nicht nur Gamer:innen begegne.
 
Wie erweckt man 3D-Charaktere auf Papier zum Leben?
 
So schwierig ist es gar nicht, und ich war sehr froh, dass man uns vertraut hat. Das Team hätte sich auch für einen ultrarealistischen Grafikstil entscheiden können. Der Trick besteht darin, die wesentlichen Merkmale des Charakters einzufangen, ihn zu formen, ihn sich zu eigen machen. Ich liebe es, Charaktere zu übernehmen und neu zu erschaffen. Es würde mir keinen Spaß machen, Tim und Struppi im exakt gleichen Hergé-Stil nachzuzeichnen.
 
Und mit den Charakteren, die nicht im Spiel vorkommen?
 
Ja, Max und … Esperanza. Und da freut es mich zu erfahren, dass – selbst wenn noch überhaupt nichts feststeht – Esperanzas Charakter vielleicht für ein Spin-off in Frage kommen könnte. Das bedeutet doch, dass sie Potential hat.
 
In dem sechsten Teil des Games und in dem ersten Comicband stellt ihr uns Juan Cortez vor. Einen neuen Charakter, und nicht den bereits aus dem ersten Teil bekannten Jack Carver.
 
Juan ist ein interessanter Charakter, der mich an John McClane aus Stirb langsam erinnert. Er ist sich der Tatsache bewusst, dass er älter wird, und vom Leben abgestumpft. Der Zahn der Zeit nagt an ihm, aber er stellt sich dem Unvermeidlichen.
 
Diese Dreierkonstellation ist nicht romantischer, sondern geopolitischer Natur.
Unser Held bleibt undurchschaubar und scheint zwischen Auftraggebern hin- und her zu springen, die ihn benutzen wollen ... die er aber vielleicht nur gegeneinander ausspielt.
 
Für Juan ist das ein Job, und sein Ziel ist es, dabei möglichst viel zu verdienen. Aber er hat trotzdem gewisse ethische Grundsätze!
 
Gab es eine Art verpflichtenden Styleguide von Ubisoft?
 
Ja, natürlich, obwohl ich mich nicht daran erinnern kann, ihn in der Hand gehabt zu haben. Aber er lag unserem Autor Mathieu Mariolle vor und er hat seine Geschichte auf dieser Grundlage erschaffen. Die Zeichnungen blieben davon unangetastet. Natürlich geht es nicht darum, alles zu tun und zu sagen. Wie bei Tim und Struppi, wenn Tim nicht mit einer Freundin ausgehen darf.
Es gab einen Grafikguide, aus dem uns alles zur Verfügung stand. Wir pickten uns das heraus, was wir wollten. Es gab viel zu analysieren und zu verstehen.
 
Woran arbeiten Sie im Moment?
 
Ich arbeite mit Damien Marie an dem Projekt Baikonour Blues: zwei Alben für den Verlag Grand Angle. Es wird eine Fantasy-Story in der russisch-kasachischen Steppe, in der Nähe von Baikonur. Eine Stadt, die für alle Raketenstarts, die dort stattgefunden haben, bekannt ist. Dafür werde ich meinen zeichnerischen Stil komplett ändern.
 
Was ist mit Time Lost, einer weiteren verrückten Actionstory, deren erster Band vor einigen Jahren erschienen ist?
 
Das liegt derzeit auf Eis, weil andere Projekte dazwischengekommen sind. Allerdings liegt das nicht am Verlag, der auch für Band 2 unterzeichnet hat.
 
Ist ein zweiter Band von Far Cry geplant?
 
Nein, es wird ein One-Shot bleiben.
 
 
An dieser Stelle wollen wir auch nochmal daran erinnern, dass Ihre Arbeiten regelmäßig im neuen Métal Hurlant zu finden sind.
 
Vielen Dank Afif, und jetzt auf eine Erfrischung.

Original findet ihr hier.

Zurück

Archiv

Kategorien

Awin