Obwohl Kirkman neben der Highschool keine weitere Ausbildung
erfahren hat, warf er sich nach dem Schulabschluss direkt ins Arbeitsleben … und
damit in die Welt der Comics. Seine Eltern zogen zu der Zeit von Richmond, Kentucky,
viele Meilen weit weg nach Florida. Kirkman blieb alleine zurück. Er arbeitete
in Comicbuchläden und in anderen verschiedenen Jobs, um über die Runden zu
kommen. Zu der Zeit auch gründete er den Verlag Funk-O-Tron, für den er seine
ersten Geschichten schrieb. Hier kam schließlich BATTLE POPE (2000-2002) zur
Veröffentlichung, der bereits ein wenig Aufmerksamkeit auf das begnadete Talent
dieses Newcomers lenken konnte.
Kirkmans erste Berührung mit Comics hat er seinem
Vater zu verdanken, der, als er noch ein kleiner Junge war, IRON MAN-Comics las
und diese überall im Haus liegen ließ. Seinen Nachschub bekam er beim örtlichen
Wal-Mart, der laut Kirkman immer erstaunlich gut mit Comics ausgestattet ist.
Später besuchte er dann auch richtige Comicbuchläden, wo er erstmals mit den Comics
in Berührung kam, die ihm offenbarten, dass Comics einen Karrierepfad
darstellen können. Hier imponierten ihm besonders die Comicmacher David
Michelinie (The Amazing Spiderman) oder Erik Larsen und Peter David (Hulk).
Es sollte nicht lange dauern, da meldeten sich bereits
die etablierten US-Comicverlage, um Aufträge an den jungen Mann zu vergeben.
Besonders Image Comics verbarg sein Interesse nicht und lief damit 2002 bei
Robert Kirkman offene Türen ein – was gleichzeitig das Ende von Funk-O-Tron
bedeutete. Aus diesem Verbund entsprangen in kürzester Zeit u. a. SUPERPATRIOT
(2002-2007 mit Unterbrechungen) und TECH JACKET (2002-2003), alles
Eigenschöpfungen. Dass Kirkman jedoch auch mit etablierten Marken umgehen kann,
bewies er von 2003 bis 2010 eindrücklich mit zahlreichen Arbeiten für Marvel,
wie etwa bei der Miniserie MASTERS OF THE UNIVERSE: ICONS OF EVIL (2003-2004)
zu sehen, die sich auf die Schurken des He-Man-Universums konzentrierte. Den
Durchbruch jedoch sollten ihm die eigenen Comicwelten bescheren. Zunächst
sorgte die Reihe INVINCIBLE (fortlaufend seit 2003) für eine wachsende
Fangemeinde. Zum wahren Comicgott wurde Kirkman aber mit der einen Serie, die
im selben Jahr startete und sich mittlerweile als weltweit größter Comicerfolg des
vergangenen Jahrzehnts herausgestellt hat: THE WALKING DEAD.
Der Wechsel zu Image hatte sich gelohnt! Gerade mal 25
Jahre alt, katapultierte das Zombie-Epos Kirkman in den Comicolymp der
westlichen Hemisphäre! Der große Wurf war geglückt und mündete nicht nur darin,
dass plötzlich auch Hollywood und TV-Sender an die Tür klopften, sondern in der
Gründung eines Imprints im Hause Image, der Robert Kirkman wieder zum
Chefherausgeber eines Comicsverlags machte. SKYBOUND ENTERTAINMENT, so der Name
des 2010 gegründeten Tochterunternehmens, das sich bis heute vornehmlich um die
Produktionen von Robert Kirkman kümmert, war dabei die logische Konsequenz aus
der 2008 erfolgten Teilhabe an Image durch Kirkman und vor allem aus der
wachsenden Vermarktung von THE WALKING DEAD. Aus einer mutigen Idee war nämlich
zwischenzeitlich ein internationales Phänomen unvorstellbarer Größe und Dynamik
geworden, das mit der Start der TV-Serie 2010 regelrecht explodierte!
Im Nachhinein ist es einfach zu behaupten, dass Robert
Kirkman alles richtig gemacht hat. In der Tat ist aber schwer, das Geheimnis
des Erfolges von THE WALKING DEAD auszumachen. Gewiss ist, dass Kirkman weder
popkulturelle Referenzen in seinen Büchern mag, da diese nur zeitlich
eingeschränkt funktionieren, noch glaubt, dass – klassischer Vorwurf
– die so geschimpften Unterhaltungsmedien per se unsere Kinder verderben.
Als jugendlicher Fan der Videospielreihe „Mortal Kombat“ sei er auch nicht über
den Schulhof gelaufen und habe versucht, seine Mitschüler einzufrieren und ihnen
den Kopf abzutrennen. Über seine Schulzeit erzählt er, dass sie nichts Besonderes
gewesen sei. Er war kein „Nerd“, aber eben auch nicht besonders populär. Ein
ganz normaler Schüler, der mit seinen Freunden abhing. Nur gab es nicht viele,
mit denen er damals über Comicbücher reden konnte. Andere Interessen standen im
Vordergrund: Musik, Filme und TV-Serien. Bei seinem Seriengeschmack überrascht
hauptsächlich die 90er Teenie-Serie „Melrose Place“, die neben Romanzen wohl
auch sehr verrückte Geschichten rund um Mord und Totschlag erzählte. Sein
Filmgeschmack erfüllt allerdings die Erwartungen. „Star Wars“, „Indiana Jones“,
„Ghostbusters“ und so ziemlich alles von Tarantino gehören zu seinen
Lieblingsstreifen … nur das Horror-Genre vermisst man in den Interviews mit dem
gegenwärtigen Meister des Zombie-Grauens irgendwie. Wie er aber selbst zugibt, war
er kurioserweise nie ein großer Horror- und Splatter-Junkie, weshalb er auch
glaubt, dass The Walking Dead so gut funktioniert. Er überlegt sich nicht, was
als Nächstes kommen muss, um den Leser zu schockieren. Die Frage, die er sich
stellt, ist: „Wie sieht der Tag von Rick Grimes heute aus?“
Sorge hat er nicht, dass er wegen des Erfolgs von THE
WALKING DEAD (fortlaufend seit 2003) oder der fünfteiligen Miniserie MARVEL
ZOMBIES (2005-2006) immer der „Zombie-Kerl“ sein wird. Dafür sind seine anderen
Projekte viel zu erfolgreich, zum Beispiel die neue Serie THIEF OF THIEVES, bei
der er als Co-Autor fungiert (fortlaufend seit 2012): Eine spannende Geschichte
über einen Dieb, der sein Handwerk aufgibt, um nur noch von anderen Dieben zu
stehlen. Oder, nach THE ASTOUNDING WOLF-MAN (2007-2010, 25 Ausgaben), sein
zweiter Schritt in Richtung Comicunterhaltung für ein eher jüngeres Publikum: SUPER
DINOSAUR (seit 2011). Wie schon bei der ersten Kids-Serie griff auch hier Jason
Howard zum Zeichenstift. Hinter SUPER DINOSAUR stand der Wunsch, ein spannende
Geschichte zu veröffentlichen, die er, Kirkman, gemeinsam mit seinem Sohn Peter
Parker (!) lesen kann. Eine Art Pixar-Film auf Papier!
Die Welt von Robert Kirkman – und davon wissen
auch seine Comicfiguren ein Lied zu singen – kennt eben keine Grenzen
…
Immer noch
Leseempfehlung: The Robert
Kirkman Interview – The Comics Journal (April 2008), S. 38-103.